SPD Schwaigern / Massenbachhausen

Soziale Politik im Leintal

Schwaigern ist eine Erkundung durchaus wert!

Veröffentlicht am 03.10.2012 in AG 60plus

SPD-Senioren aus Heibronn-Land erleben Historie und moderne Technik.

Die diesjährige Stadttour der Arbeitsgemeinschaft 60 plus des SPD-Kreisverbands Heilbronn-Land führte in die Heilbronner Landkreis-Gemeinde Schwaigern, in bewährter Organisation des engagierten Genossen Peter Conze aus Schwaigern-Massenbach, der die 25köpfige Gruppe am Schwaigerner Bahnhof der Stadtbahnlinie 4 - Schwaigern ist seit 1878 dem Bahnnetz angeschlossen - abholte und durch die Stadt zum Kirchplatz führte. Dort wurden sie von Stadtführerin Wiltrud Wolfstädter erwartet, die - in historischem Gewand gekleidet - quasi als Frau des Stadtschreibers in launigen Worten und mit Anekdoten gewürzt die Geschichte Schwaigerns lebendig werden ließ.

Stadtkirche mit vielen sehenswerten Kunstwerken
Nach der Vorgabe mittelalterlicher Verhaltensregeln beim Treff an dem von Gedenktafeln für die Schwaigerner Opfer im I. Weltkrieg begrenzten Treppenaufgang ging es in die evangelische Stadtkirche, eine spätgotische Hallenkirche, die allein schon mit ihrem vielgliedrigen Turm und ihrer Größe beeindruckt. Das hängt damit zusammen, dass Schwaigern ehedem Sitz eines Landkapitels für 36 Gemeinden war. Seit dem 13. Jahrhundert war das Geschlecht derer von Neipperg alleinige und eigenberechtigte Herren am Ort, und sie unterstrichen ihre kirchliche Stellung durch den Bau der Stadtkirche (1514-1520 von Bernhard Sporer), wobei Teile einer ursprünglichen romanischen Kirche aus dem 12./13. Jahrhundert integriert wurden.
Zu einer Sehenswürdigkeit wurde die Johannes dem Täufer gewidmete Kirche vor allem durch ihre Schätze im Innern der Kirche, die jahrhunderte lang Grablege des Hauses Neipperg war. Davon zeugen noch zahlreiche Grab- Epitaphien an den Wänden. Erhalten geblieben sind auch mehrere wertvolle Altäre aus vorreformatorischer Zeit, wie zwei Schnitzaltäre und ein Marienaltar. Berühmt ist insbesondere der von Jörg Ratgeb gestaltete Barbara-Altar aus dem Jahr 1510, von dem derzeit allerdings nur eine Kopie zu sehen ist, während das Original im Zuge der letztjährigen Innenrenovierung noch in Stuttgart ausgelagert ist. Sehenswerte Kunstwerke sind auch eine Schmerzensmann-Figur und ein Kruzifix aus dem 15. Jahrhundert im Chorbogen, das hohe spätgotische Sakramentshaus im Chor sowie die Apostelbüsten an den Anfängen des kunstvollen Deckengewölbes.
Die Kirche wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder erneuert. 1910 erfolgte ein großer Umbau im Kirchenschiff mit Einbau eines neuen Gestühls und einer Holzkanzel. 1961 wurde der Chor renoviert, vor 20 Jahren der Turm neu gedeckt und Außenmauern renoviert und 2010/11 der Innenraum. Die Kirche, zu der auch eine gern bespielte Orgel gehört, erfreut sich einer guten Akustik. Erst zu Wochenbeginn fanden hier CD-Einspielungen der German Brass Band statt. In diesem Jahr gastierten in der Kirche auch das Württembergische Kammerorchester und am 15. September auch die "Prinzen".

Schwaigern historisch geprägt durch das Haus Neipperg
Schwaigern wurde zwar evangelisch dank des Hauses Neipperg, die schon früh reformatorische Prediger bevorzugte, doch später kehrten die Neippergs wieder zum alten Glauben zurück. Nichts desto weniger übten sie bis ins 20. Jahrhundert die Patronatsherrschaft aus, und 1753 erließ der katholische Graf Wilhem Reinhard von Neipperg als Patronats- und Landesherr eine evangelische Kirchenordnung.
Gegenüber der Stadtkirche befindet sich das Pfarrhaus aus dem Jahr 1776, das als einziges Gebäude den verheerenden Flächenbrand von 1905, der das ganze umliegende Stadtviertel einäscherte, überstand. Unmittelbar an den Kirch- bzw. Schlossplatz schließt sich das Gräflich Neipperg'sche Schloss an, noch heute von der Familie bewohnt und Sitz des Weinguts Graf Neipperg. Der Bau des Schlosses wurde vor über 300 Jahren begonnen, anstelle einer 1690 zerstörten Burganlage aus dem 12./13. Jahrhundert. Um 1870 kam auch eine Schlosskapelle hinzu.
An das Schloss, hinter der Stadtkirche, schließt sich der (nicht mehr öffentlich zugängliche) Schlosspark an, den die Gruppe von einem alten Wehrgang aus dem 15. Jahrhundert erblickte.

Der städtische Charakter der Kerngemeinde ist unverkennbar
Schwaigern hat aber noch mehr zu bieten. Schließlich hatte Schwaigern schon im Spätmittelalter ein städtisches Erscheinungsbild mit Mauern und Türmen, einem regelmäßigen Straßennetz und geräumigen Plätzen, und so wurde der "Fleck" zu einer Stadt auch ohne direkte Stadtrechtsvergabe - und zeigt auch heute durchaus eine städtische Ausstrahlung, auch und gerade von der Infrastruktur her, mit zahlreichen Geschäften in der Fußgängerzone.
Von Historie geprägt ist aber auch der weitere Stadtrundgang. Zuerst vorbei am "Alten Rentamt", seit vielen Jahren renommiertes Restaurant und Hotel im Besitz des Grafen von Neipperg, ein über 150 alter Fachwerkbau, 1905 erneuert und später durch einen Mittelbau mit dem benachbarten ehemaligen Forsthaus verbunden. Schräg gegenüber das "Gasthaus zum Lamm", wo von 1838-82 die erste Post- und Pferdewechselstation Schwaigerns war. Am barocken Haustürbogen prangt gar die Jahreszahl 1779. Über dem Marktplatz mit seinem figurenreichen Marktbrunnen kommt man zum Storchennest, dem ältesten noch erhaltenen Wohngebäude Schwaigerns mit ursprünglich allemannischer Fachwerksbauweise aus dem 15./16. Jahrhundert. Unweit, am Hindenburgplatz, befindet sich noch ein renoviertes barockes Wohnhaus aus dem Jahr 1769, das ehemaliges Gasthaus "Krone".
Von der im 15. Jahrhundert errichteten Stadtmauer mit den im 18.Jahrhundert aufgesetzten Scheunen - inzwischen modernisierte Wohnhäuser - ist noch die renovierte Südseite zu sehen. Auf der Südostseite befindet sich neben dem einstigen Stadttor der Bürgerturm, im Volksmund Hexenturm genannt, einst ein mit Schiessscharten versehener Kerker, in dem die 1713 als Hexe angeklagte Anna Maria Heinrich ihre letzten Monate verbrachte, ehe sie auf dem Scheiterhaufen endete.

Bürgermeisterempfang in der neuen Mediathek
Ins Auge fällt im Stadtzentrum natürlich das vom Jugendstil geprägt Schwaigerner Rathaus, das vom Schwaigerner und württembergischen Wappen geziert wird. Doch Schwaigerns Bürgermeister Johannes Hauser empfing die SPD-Senioren nicht im Rathaus, sondern in der ehemaligen Stadtkelter, einem Fachwerkbau von 1659, 1852 von der Stadt aus gräflich-neipperg'schem Besitz übernommen. Seit 2011 befinden sich hier die moderne Mediathek und das Karl-Wagenplast-Museums des Heimatvereins. Mit einem Investitionsaufwand von 2,5 Millionen Euro (einschließlich Fördermittel) hat hier die Stadt ein "Schmuckstück in Holz" mit einem doppelstöckigen lichten Dachstuhl geschaffen, mit attraktiven Versammlungs- und Veranstaltungsmöglichkeiten - eine große Bereicherung für die Gemeinde und stadt(bau)geschichtliches Dokument.
Mit ersichtlichem Stolz pries Bürgermeister Hauser seine prosperierende Stadt Schwaigern, die mit den ebenfalls geschichtsträchtigen Ortsteilen Massenbach, Stetten und Niederholen mehr als 11 000 Einwohner zählt, darunter über 6200 in der Kernstadt Schwaigern. Wie er berichtete, ist Schwaigern eine wachsende Gemeinde. In den Ortsteilen werden laufend Grundstücke mit Einfamilienhäusern bebaut, und im Stadtzentrum entstehen Seniorenwohnungen. Gern nahm der Bürgermeister auch einen bildungspolitischen Ball auf und sprach voller Zuversicht davon. dass sich demnächst Leintal-Werkrealschule und Leintal-Realschule zu einer stimmigen Gemeinschaftsschule und offenen Ganztagsschule zusammenschließen werden.
Schwaigern ist nicht nur bekannt für seine schöne landschaftliche Lage im Leintal am Nordhang des Heuchelbergs am Rande des Kraichgaus und für seinen guten Wein, wovon auch die Weingärtnergenossenschaft, heute Heuchelberg Weingärtner e. G., zeugt (und wovon sich die Gäste bei einem "Schluck" überzeugen konnten), sondern auch von aufstrebendem Gewerbe und Industrie, mit an die 2000 Beschäftigten, von denen ein großer Teil Zupendler sind.

Besichtigung der Schwaigerner Biogasanlage
Nach gemeinsamem Mittagessen in der Traditionsgaststätte "Linde" ging es zu einem etwas außerordentlichen Gewerbestandort, einer Biogasanlage hinter dem Industriegebiet auf der Westgemarkung im freien Feld Richtung Schluchtern. Und diese hängt eng zusammen mit dem größten Arbeitgeber Schwaigerns, dem Präzisionskunststoff-Hersteller Walter Söhner GmbH & Co KG, einer Unternehmensgruppe mit weltweit 1200 Beschäftigten, auch in den USA und in China vertreten. Als bedeutsamer Produzent von Spritzguss- und Stanzwerkzeuge und anderen Verbundtechnologien ist Söhner auch ein großer Energieverbraucher, und auf der Suche nach alternativen Quellen entwickelte sich das Projekt einer Biogasanlage. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) lässt grüßen.
Die Biogasanlage dient der Erzeugung von Biogas, durch Vergärung von Biomasse. Wie Kurt Schmalzhaf von der Firma Söhner und der junge Geschäftsführer Weller darlegten, funktioniert die Anlage ähnlich wie ein Kuhmagen, "sie ist quasi ein betonierter Kuhdarm". Am Anfang des Betriebs erfolgte eine Anreicherung durch Gülle, damit sich geeignete Bakterienstämme (Mikroorganismen) entwickeln konnten. Seitdem wird die Anlage ausschließlich mit Maissilage gefüttert; in der Schwaigerner Biogasanlage stehen zwei Fermenter. Bei der Vergärung in der Kuppel des blubbernden Brüters entsteht Methan und Kohlendioxid als Hauptkomponenten des Biogases, das in ein Blockheizkraftwerk geleitet und dort in Strom verwandelt wird. Der wird über eine unweit befindliche Trafoanlage ins öffentliche Netz eingespeist. Täglich werden durchweg mehr als 20 000 Kilowattstunden elektrische Energie erzeugt, womit theoretisch mehr als alle privaten Haushalte in der Gesamtgemeinde Schwaigern versorgt werden könnten.
Da bei dem gut abbaubaren Mais-Substrat der größte Teil der Trockensubstanz in das Biogas umgesetzt wird, verbleibt nur ein wässriges Gemisch an schwer abbaubarem organischem Material, der sogenannte Gärrest, der kostenlos als landwirtschaftlicher Dünger abgegeben wird.
Damit die Biogasanlage auch wirklich wirtschaftlich und energieeffizient arbeitet, bedarf es der Nutzung der überschüssigen Wärme (Abwärme) des Motors, wozu eine Absorbtionskältemaschine installiert wurde, um das Produktionswerk der in Sichtweite befindlichen Söhner-Betriebe zu bedienen.

Beschickung mit eingehäckseltem Mais aus 300 ha Anbau
Bei dem Besichtigungstermin war gerade die Maisernte und damit die saisonale Zulieferung abgeschlossen. Als Rohstoff dient die gesamte Maispflanze, die gehäckselt angeliefert wird und offen in großen Silos, mit von durchgehenden Folien umschlossenen Mauern abgegrenzt, lagert. Wie es heißt, wird die Biogasanlage von eingehäckseltem Mais aus 300 Hektar Anbaufläche versorgt, aus einem Umkreis von 14 km, ein Gebiet mit insgesamt 15 000 Hektar Agrarfläche. Die Mais-Monokultur halte sich also im Rahmen, heißt es. Zudem müssten sich die Vertragslandwirte schriftlich verpflichten, eine dreijährige Fruchtfolge einzuhalten und keinen Genmais anzubauen. So gesehen ist der Anbau nachwachsender Rohstoffe zur Energienutzung für die Bauern ein rentables Geschäft und gesellschaftspolitisch vertretbar.
Wenn behauptet wird, dass bezogen auf die eingesetzte Energie Strom aus Wind zehnmal effektiver ist als der aus Maisbiogas, würde sich in der Nähe dieser Industrieanlage auf dem windumtosten Feld unterhalb der Heuchelberg-Wälder wohl auch die Errichtung eines Windkraftwerks anbieten. Doch davon wollen die Betreiber der Biogasanlage (noch) nichts wissen, da sie wohl zu großen Widerstand in der Öffentlichkeit - bei einer entsprechenden Flächennutzungsausweisung durch die Gemeinde - befürchten.

[H. Sauter]

 

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